Journalisten hinters Licht geführt: Ahrensburger Bürgervorsteher Benjamin Stukenberg begründet sein Fotografierverbot mit Tonaufnahmeverbot

Ich bekam gestern von der Stadt Ahrensburg (FD Leitung Kommunalverfassungsrecht / Gremien / Wahlen) die „Rechtliche Prüfung zur Fertigung von Lichtaufnahmen während der Stadtverordnetenversammlung“. Schon das Wort „Lichtaufnahmen“ ist kurios, denn eine solche Vokabel habe ich nicht einmal in meinem großen Duden gefunden, der immerhin 20 Bände umfasst.

Allerdings: Ich kenne tatsächlich eine Lichtaufnahme. Sie passierte damals im alten Schilda, wo die Bürger das Licht in Bottichen und Säcken aufnahmen, um es ins Innere des Rathauses zu tragen, wo man vergessen hatte, die Fenster einzubauen. Und mit dieser Lichtaufnahme wären wir dann auch schon im Rathaus der Stadt Ahrensburg!

Aber Scherz beiseite, denn dazu ist der Sachverhalt viel zu ernst! Die rechtliche Prüfung eines Fotografierverbots wurde unterzeichnet mit „gez. Reuter“, sodass ich davon ausgehe, dass Reuter (m/w/d) berechtigt ist, rechtliche Gutachten im Namen der Stadt Ahrensburg herauszugeben. Und veröffentlicht wurde die “rechtliche Prüfung” sogar auf der städtischen Homepage von Ahrensburg und ist damit weltweit abrufbar.

Das Schriftstück von Reuter (m/w/d) ist dreiseitig, und zwar zweiseitig in der Form und abseitig vom Thema. Ich bin kein Jurist, meine lieben Mitbürger, aber wenn Reuter ein Studium der Juristerei bis zum Abschluss absolviert hat, dann fresse ich eine Schweinebacke mit Grünkohl aus der Dose!

Ich habe das gesamte Gutachten der Stadt an den Rand gestellt, damit jeder Bürger selber lesen kann, was dort von der Stadtverwaltung so alles fabuliert worden ist. Und ich verspüre absolut keine Lust, den gesamten Wortlaut bis ins Detail zu glossieren kommentieren, sondern ich beschränke mich nur auf das Wesentliche, nämlich auf die Begründung der Stadt, warum der Bürgervorsteher allen Journalisten in der Stadtverordnetenversammlung wider Presserecht und Grundgesetz das Fotografieren verboten hat. Hierzu meine Anmerkungen zum Kern des Reuter-Papiers:

Reuter verwechselt „Gremium“ mit „Versammlung“. Denn die Stadtverordnetenversammlung ist, wie der Name schon sagt, eine öffentliche Veranstaltung in einem großen Saal mit Publikum und kein Gremium wie zum Beispiel ein Ausschuss, der im Peter-Rantzau-Haus tagt. Oder eine Kommission, die um einen runden Tisch herum im Rathaus sitzt.

Lichtaufnahme im alten Schilda

Und Reuter verwechselt Tonaufnahmen mit Fotoaufnahmen. Im städtischen Schriftstück schreibt er/sie von „Aufnahmen“ und verweist auf das Bundesverwaltungsgericht 85, 283. Hier aber handelt es sich tatsächlich um Tonaufnahmen und nicht um Fotoaufnahmen, was ein wesentlicher Unterschied ist. Und um Tonaufnahmen geht es in meiner Beschwerde überhaupt nicht, sondern es geht einzig und allein um Fotoaufnahmen, Herr Bürgernichtversteher.

Auch der wiederholte Hinweis auf das  Bundesverwaltungsgericht 85, 283 / OVG Lüneburg zielt ins Leere und soll wohl ganz bewusst in die Irre führen. Denn das genannte Gerichtsurteil bezieht sich wie gesagt auf: „Abwehr von Tonaufnahmen in Ratssitzungen!

Reuter schreibt: Will die Presse Bildaufnahmen von Zuschauern tätigen, ist hierzu auch deren Zustimmung zu erteilen (§ 22, 33 Kunsturhebergesetz).” Was meine Fotos in der Stadtverordnetenversammlung mit § 22, 33 Kunsturhebergesetz zu tun haben, wollen Sie vielleicht wissen? Meine Antwort: nichts. Ich stelle fest:

“Auf Versammlungen darf grundsätzlich fotografiert werden, wobei grundsätzlich nicht von Belang ist, ob abgelichtete Personen ihre Einwilligung erteilt haben. Daran hat auch die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nichts geändert. Für Journalistinnen und Journalisten sehen die Pressegesetze der Länder bzw. der Rundfunkstaatsvertrag weitreichende Ausnahmen von dem Erfordernis einer datenschutzrechtlichen Einwilligung vor.”

“Das Bundesverwaltungsgericht hat die besondere Bedeutung der Pressefreiheit herausgestellt: Wird ein Journalist daran gehindert, eine Photoaufnahme zu tätigen, wird insoweit irreversibel in sein Recht auf Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) eingegriffen.”

Mein Fazit: Ich habe in meinem Berufsleben schon viele juristische Schriftsätze gelesen. Aber so etwas Bescheidenes wie das Geschriebene von Reuter ist mir dabei selten unter die Augen gekommen. Immer voll am Thema vorbei. Die Stadt täte gut daran, diese Rechtliche Prüfung zur Fertigung von Lichtaufnahmen während der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung” unverzüglich von der Homepage zu entfernen, bevor die Satire-Redaktion von extra3 beim NDR das mitbekommt!

Ich beziehe mich im übrigen weiterhin auf meine Ausführungen in meinem Blog-Eintrag vom 31. Oktober 2023. Dort erfahren Sie auch, warum der Bürgervorsteher und einige Politiker soviel Schiss vor meinen Fotos haben.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht am 15. November 2023

6 Gedanken zu „Journalisten hinters Licht geführt: Ahrensburger Bürgervorsteher Benjamin Stukenberg begründet sein Fotografierverbot mit Tonaufnahmeverbot

  1. Kassandra

    Erzählt man sich nicht, dass kleine grüne Männchen in einem Ufo auf der Erde gelandet sind? Und wenn der grüne Bürgervorsteher vom Mars kommt, dann regiert er auf Erden eben außerirdisch, zumal er von den Bürgern der Stadt Ahrensburg nicht gewählt worden ist, sondern von den Stadtverordneten.

  2. Die Kraehe vom Rathausplatz

    Das ganze Gedoens um das Fotografieren verstehe ich in keiner Weise. Im Wahlkampf treten die Aspiranten ja auch ohne Maske auf, es werden Flyer mit ihrem Konterfei verteilt, auf den Internetseiten der einzelnen Parteien werden Fotos von den Politikern gezeigt, nur bei den Versammlungen wollen sie nicht fotografiert werden? Wo bleibt da die Logik?

  3. Petersen jr.

    Bezeichnend für das Kommunikationsverhalten der Stadt ist schon, dass weder die Pressestelle noch “Reuter” sich bisher dazu geäußert haben. Aber ganz bestimmt wird es morgen einen Großbericht im Stormarnteil Abendblatt geben, denn die Jouralisten dort betrifft das Thema schließlich noch viel mehr als einen Blogger.

  4. Yvonne Peters

    Hallo lieber Herr Dzubilla! Haben Sie wenigstens ein persönliches Dankeschön von Ihren Kollegen der Tagespresse bekommen, weil Sie sich so für sie eingesetzt haben, dass sie jetzt wieder bei den Versammlungen im Marstall ihren Beruf ausüben dürfen?

    Was ich in diesem Zusammenhang schon immer gedacht habe: Es gibt Mikrokameras, mit denen man Bild und Ton aufnehmen kann, die nicht einmal durch die Adleraugen von BV Stukenberg entdeckt werden würden. Insofern ist sein Verbot doch ohnehin nur eine Farce.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Optionally add an image (JPEG only)