Stadtverordneten-Versammlung: Bürgervorsteher Benjamin Stukenberg (Grüne) mit dem Faustrecht gegen das Presserecht?

Lieber Leser, Sie beginnen gerade mit der Lektüre eines Blog-Eintrags, dessen Ursprung aus der Zeit stammt, als der inzwischen nicht mehr unter uns weilende Roland Wilde (CDU) noch Bürgervorsteher von Ahrensburg gewesen ist. In dessen Amtszeit ist es in den Stadtverordneten-Versammlung gleich zweimal passiert, dass bei Abstimmungen auch Arme zustimmend in die Höhe gingen, deren Personen bei den betreffenden Themen befangen waren, weshalb sie garnicht hätten mit abstimmen dürfen oder sogar während der Abstimmung vor die Tür hätten gehen müssen. Das hat allein der Blogger von der Szene Ahrensburg bemerkt, in Fotos festgehalten und veröffentlicht – siehe die Corpora Delicti links!

Au weia, das war dem damaligen Bürgervorsteher nicht nur unangenehm, sondern das waren auch Stiche ins Wespennest der Betroffenen! Und aus dem Kreise der Stadtverordneten wurde der Bürgervorsteher aufgefordert, er möge dafür sorgen, dass es in Zukunft keinerlei Beweisfotos mehr geben dürfe aus den Versammlungen der Stadtverordneten. Und dieses Verbot hat Roland Wilde auch immer wieder ausgesprochen. (Selbstverständlich hat der Blogger von der Szene Ahrensburg das nicht ernstgenommen und weiter abgelichtet, was es an Bemerkenswertem bildlich zu berichten gab. 😉 )

Inzwischen haben wir einen neuen Bürgervorsteher, nämlich Benjamin Stukenberg, einen IT-ler, welcher den Grünen angehört. Und als eine seiner ersten Amtshandlungen verbot der junge Mann allen Journalisten grundsätzlich das Fotografieren in der Stadtverordneten-Versammlung und gestattete Bildaufnahmen nur nach seiner persönlichen Ansage. So zum Beispiel bei Ehrungen mit Blumen, Grinsen und Pralinen.

Blumensprache: Foto vom Bürgervorsteher erlaubt!

Ich war gestern Abend in der Stadtverordneten-Versammlung und habe den Bürgervorsteher dort gefragt, ob auch er die Meinungsfreiheit in Ahrensburg beschneiden wolle, indem er Journalisten in ihrer Arbeit behindert. Und explizit habe ich gefragt, nach welcher Rechtsauffassung er das Fotografieren in den Versammlungen verbieten will.

Bürgervorsteher Benjamin Stukenberg erklärte, er habe juristisch eindeutig überprüfen lassen, dass sein Verbot rechtens ist. Und er erklärte mir, dass Journalisten ja trotzdem schreiben dürften (ha! ha!), woraufhin ich ihn gefragt habe, ob Fotojournalisten dann draußen vor der Saaltür bleiben müssten und damit quasi mit einem Verbot zur Berufsausübung bedacht wären.

Das konnte der Bürgervorsteher mir auch nicht beantworten. Kurz gesagt: Benjamin Stukenberg hat mir versprochen, er würde mir die eindeutige juristische Expertise, die er eingeholt habe, zukommen lassen, damit ich sehe, dass sein Verbot keine Entscheidung nach Gutsherrenart ist, sondern nach Recht und Gesetz erfolgt. Nach welchem Recht konnte er mir gestern Abend allerdings noch nicht verraten.

Klar, es gibt ja auch ein Faustrecht. Das aber hat nur Gültigkeit bei einer Box- und nicht bei einer politischen Veranstaltung, Herr Stukenberg. Und das Hausrecht des Bürgervorstehers kann wohl kaum die Pressegesetze der Länder aushebeln oder gar das Grundgesetz. Und weil ich nun schon in die juristische Thematik eingestiegen bin, zitiere ich der Einfachheit halber Texte aus seriöser juristischer Quelle. In diesem Sinne zwei Passagen von “versammlungsrecht.org” und also lautend:

“Auf Versammlungen darf grundsätzlich fotografiert werden, wobei grundsätzlich nicht von Belang ist, ob abgelichtete Personen ihre Einwilligung erteilt haben. Daran hat auch die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nichts geändert. Für Journalistinnen und Journalisten sehen die Pressegesetze der Länder bzw. der Rundfunkstaatsvertrag weitreichende Ausnahmen von dem Erfordernis einer datenschutzrechtlichen Einwilligung vor.

Auf Privatpersonen ist die DSGVO ohnehin nicht anwendbar. Privatpersonen wie auch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte dürfen fotografiert und gefilmt werden. Die Beamtinnen und Beamten dürfen erst dann einschreiten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Aufnahmen rechtswidrig veröffentlicht werden sollen oder sonst Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestehen. Insbesondere bei Journalistinnen und Journalisten wird dies regelmäßig nicht anzunehmen sein.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die besondere Bedeutung der Pressefreiheit herausgestellt: Wird ein Journalist daran gehindert, eine Photoaufnahme zu tätigen, wird insoweit irreversibel in sein Recht auf Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) eingegriffen. Dies kann in der Regel nicht hingenommen werden. Insbesondere kann diese Rechtsbeeinträchtigung nicht auf die Erwägung gestützt werden, die Wortberichterstattung bleibe auch dann möglich, wenn die Bildberichterstattung vereitelt werde. Denn es kommt nicht der Polizei gegenüber der Presse zu, zu entscheiden, welche Form der Berichterstattung erfolgen soll und welcher Art von vorbereitender Recherche es demgemäß bedarf. Verhältnismäßig ist es in einem solchen Fall daher in der Regel nicht, die durch den Journalisten beabsichtigte Photoaufnahme selbst zu verhindern, sondern nur, Vorkehrungen für die befürchtete anschließende Verletzung eines Rechtsgutes durch den Gebrauch des Bildes zu treffen.”


Ausgangs noch ein wenig Nostalgie, weil es gut zum Thema Pressefreiheit passt:
Auf meinem ersten Presseausweis, der aus dem Jahre 1970 stammt und der in den 70er Jahren noch alljährlich mit Stempel verlängert werden musste, gab es zu jener Zeit noch auf der Rückseite den
“Amtlichen Passierschein” durch die Pressestelle der Polizei, mit dem Hinweis: “Die Polizeibeamten werden gebeten, die Aufgaben des Inhabers dieses Ausweises in jeder Weise zu erleichtern, insbesondere ihm bei Absperrungen Durchlass zu gewähren, sofern dies nicht aus zwingenden Gründen verweigert werden muss.”

Postskriptum: Von den rund 35.000 Bürgern der Stadt Ahrensburg waren gestern 20 in die Versammlung ihrer Stadtverordneten gekommen. Darunter auch der Neujahrs-Pöbler und abgewählte Bürgervorsteher Matthias Stern in Begleitung der ehemaligen Stadtverordneten Anne Hengstler. Und auch auf den Zuschauerstühlen verging dem ehemaligen Lehrer das Pöbeln per Zwischenruf nicht. Was seine Ex-Kollegen Stadtverordnete in der Versammlung gestern bearbeitet und beschlossen haben, interessierte Stern & Hengstler hingegen nicht die Bohne; sie verließen den Marstall vorzeitig. Vielleicht musste Matthias Stern noch zwingend eine Kippe inhalieren und/oder wollte eventuell ein Gläschen Rotwein schlürfen?

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht am 31. Oktober 2023

4 Gedanken zu „Stadtverordneten-Versammlung: Bürgervorsteher Benjamin Stukenberg (Grüne) mit dem Faustrecht gegen das Presserecht?

  1. Papa Razzo

    Herr Stukenberg sollte für den Marstall Eintrittskarten drucken und verkaufen lassen. Auch Pressevertreter müssen eine Eintrittskarte kaufen, um reinkommen zu können. Und auf den Eintrittskarten ist gedruckt: Jeder Besucher verpflichtet sich mit dem Kauf der Eintrittskarte, dass er keine Fotos von der Veranstaltung macht. Verstöße dagegen werden strafrechtlich verfolgt.

    Alternative: “Handys und andere Fotoapparate sind am Eingang abzugeben! Pressezeichnungen sind gestattet!”

  2. Gertrud Twieg

    Guten Morgen Herr Dzubilla,
    da bin ich aber wieder einmal gespannt, welche Antwort diesmal aus dem Rathaus kommt und wann.
    Wie die juristische Expertise aussieht, auf die sich unser Bürgervorsteher Benjamin Stukenberg beruft.
    Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich noch einen angenehmen Feiertag.
    Freundliche Grüße
    Gertrud Twieg

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