3. Buch Stormarn: Redaktionsleiter Hinnerk Blombach bettelt bei seinen Lesern um Spenden für seine Auflage

Das Hamburger Abendblatt kämpft – wie viele andere Tageszeitungen auch – um Leser, weil die Auflagen schrumpfen. Denn die Abonnenten sterben springen mehr und mehr ab, weshalb man neue, und zwar jüngere Leser sucht. Hierzu hat sich der Verlag eine Abonnenten-Werbe-Kampagne ausgedacht, die echt hart ist, um es mal ganz vorsichtig zu formulieren.

aus: Hamburger Abendblatt

Das Abendblatt möchte, dass seine Abonnenten ein zweites Abonnement bestellen und bezahlen. Und diese Exemplare sollen dann an eine Schule geliefert werden, damit die Kinder dort zum Hamburger Abendblatt greifen sollen, um vielleicht später mal selber zu abonnieren.

Redaktionsleiter Hinnerk Blombach und seine Kollegin Katharina Koester erklären uns Lesern den Grund für ein zu spendendes Abendblatt-Abonnement wie folgt: „Für Schüler ist es nicht einfach, Zugang zu einer Zeitung zu bekommen, wenn sie im Elternhaus nicht verfügbar ist. Dabei haben Studien, unter anderem im Pisa-Studie-Vorzeigeland Finnland, ergeben, dass Zeitunglesen sich auch ganz unmittelbar auf die Schulnoten auswirken kann – sie werden besser. Die Lektüre der Zeitung fördert nicht nur die Lesekompetenz, sondern sorgt dafür, so die Studie, dass die Jugendlichen beispielsweise auch in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern besser abschneiden.“

Als Werbehelfer bei dieser Abo-Aktion fungiert tatsächlich auch ein Lehrer aus Bargteheide, der mit folgenden Werbeworten zitiert wird: “Ich sehe es als großen Vorteil, dass die Schüler sich mit tagesaktuellen Themen auseinandersetzen können.”  So äußert sich der Pauker öffentlich und ergänzt: “Ich habe das Gefühl, besonders die etwas jüngeren und die älteren Schüler sind sehr daran interessiert.“ Und dann die knallhaarte Werbeansprache des staatlichen Pädagogen, der scheinbar auch im Namen seines Kollegiums spricht: “Wir finden, das Hamburger Abendblatt ist eine der Zeitungen, die gut für Schüler geeignet sind, weil sie gut verständlich ist und trotzdem Qualität hat.”

Zwischenfrage: Ob der Oberschulrat diese schulische Lehrmeinung Leermeinung wohl unterschreibt…?

Nun fragt sich jeder, der klar denken kann: Wenn es doch so wichtig ist, dass Schüler eine Zeitung lesen, warum spendiert der Verlag dann nicht einfach jeder Schule ein kostenloses Abonnement?! Auf diese Weise findet frühzeitig eine Leser-Blatt-Bindung statt, die vielleicht ihre Fortsetzung findet, wenn der Schüler selber das Geld für ein Abo hat. Und den Verlag kostet das so gut wie gar nichts.

Außerdem: Warum, um alles in der Welt, ist einzig und allein das Hamburger Abendblatt nach Meinung des Lehrkörpers „verständlich“ und hat „Qualität“? Was spricht gegen die WELT oder DIE ZEIT oder das Stormarner Tageblatt oder die Lübecker Nachrichten oder…?

Bemerkenswert: Wer ein Abendblatt-Abo kauft und spendet, der wird in der Zeitung veröffentlicht. Heute findet der Leser im Stormarn-Teil eine Reihe von Leuten – vom Erdbeerhof-Betreiber bis zum Bestattungsunternehmer – die Werbetexte für die Zeitung verfasst haben als Begründung dafür, warum sie ein Abonnement vom Hamburger Abendblatt gekauft haben.

Natürlich könnte das Hamburger Abendblatt auch wie in Vergangenheit werben und den Eltern der Schulkinder per Direktwerbung im Briefkasten erklären, dass Zeitungslesen nicht grad dümmer macht; aber das funktioniert scheinbar nicht, weil alle Eltern in Stormarn unterhalb der Armutsgrenze leben und weder für sich noch für ihre Kinder eine Zeitung kaufen können.

Und morgen kommt Apple und bittet seine Kunden, für die Schulen reichlich Computer dieser Marke zu spenden, weil eine Zeitung allein nicht ausreichend ist für die Bildungsarbeit…?  😉

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht am 20. Mai 2017

5 Gedanken zu „3. Buch Stormarn: Redaktionsleiter Hinnerk Blombach bettelt bei seinen Lesern um Spenden für seine Auflage

  1. Observator

    Wie man so sagt: Einem geschenkten Gaul guckt man nicht in die Zeitung – oder so ähnlich. Und in der großen Pause wollen die Kinder raus auf den Schulhof. Die Zeitung kann dann der Hausmeister mitnehmen. Oder der Verbindungslehrer zur Redaktion. 😉

  2. K. Lindemann

    Die Überschrift “Zeitunglesen für bessere Schulnoten” mit dem Hinweis auf Mathematik ist schon ziemlich dreist.

  3. Hans Wurst

    Die Schüler machen heute vieles lieber als Zeitungen lesen, wenn die Inhalte wie auch die Art und Weise der Texte so gar nicht deren Interessen widerspiegeln.
    Da trifft eher noch die Bild den Ton der Schüler. Wir haben früher mehrfach im Unterricht die Boulewardpresse mit der Regionalzeitung und einer überregionalen Zeitung verglichen. Noch heute lese ist bevorzugt diese überregionale Zeitung mit “Jugend schreibt” und den großen Seiten und seit einigen Jahren auch bunten Bild auf der ersten Seite. Sehr gerne lese ich regelmäßig Zeitung, auch online. Leider ist das HA weit davon entfernt für mich eine gute Zeitung zu sein. Ohne die regelmäßigen Anzeigenkunden sieht es bei den meisten Tageszeitungen, wie übrigens auch den Fachmagazinen, sehr duster aus. Bei einigen Zeitungs- oder Magazinmachern setz dies kreative Kräfte frei, doch viele sind eher vor dem Wandel erstarrt. Es wird noch mehr gekürzt, weniger gut recherchiert und die Zufriedenheit der Leser sinkt weiter.

  4. Martens

    Die Zeiten für Redakteure bei Tageszeitungen sind härter geworden, da muss der Redaktionsleiter gleichzeitig auch den Werbeleiter machen. Ich vermute: Nachts trägt Hinnerk B. auch noch das Abendblatt aus! 🙂

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