Szene Ahrensburg
Szene Ahrensburg
Meine Brille mit drei Bügeln
Warum trägt der Mensch eine Brille? Für die meisten Brillenträger ist der Grund einzig und allein: Sie wollen besser sehen können. Der Rest der Brillenträger möchte besser aussehen. Wie zum Beispiel Heino, der Barde.
Eine Brille kann ein Gesicht verändern. Nicht selten ist diese Veränderung kolossal, weil es Brillen gibt, die ein Eigenleben im Antlitz des Trägers führen. In meinen Augen gibt es da ganz scheußliche Vorkommnisse. Wenn beispielsweise eine Frau sich eine dicke schwarze Hornbrille auf die Nase setzt. Oder irgendein buntes, verziertes Gestell, das an die Masken im Karneval von Venedig erinnert.
Vor vielen Jahren hatte ein Brillenhersteller mal einen Slogan, den ich nie vergessen habe, nämlich: „...und Dein Gesicht bleibt Dein Gesicht!“ Weil die beworbene Brille ein sehr spartanisches Design hatte, das nur noch von Kontaktlinsen unterboten werden konnte.
Doch nun zum Casus Belli, und zwar zur Marke Silhouette. Das ist eine österreichische Firma, die eine Brillenserie herstellt, bei der die rahmenlosen Gläser allein mit Ohren- und Nasenbügeln verbunden sind. Das ist ein Minimum an Brille und verändert das Gesicht des Trägers kaum. Leider sind diese Brillen nicht gerade billig, weil die Bügel aus Titan gefertigt werden.
Ich trage Silhouette-Brillen schon in dritter Folge. Doch die dritte wird auch die letzte Brille sein, denn der Hersteller hat mich verärgert. Der Grund ist folgender:
Irgendwie lag mein Sehgestell auf meinem Schreibtisch so ungünstig, dass ich ein Buch darauf gelegt habe. (Hinweis: Die Brille ist ja fast unsichtbar, und ohne Brille noch schwerer zu erkennen!) Die Folge: Ein Ohrenbügel war abgebrochen. Ein Titanbügel. Aber nicht das Titan war gebrochen, sondern das Stückchen Plastik, mit dem der Bügel an das Glas montiert ist. Und deshalb ging ich zum Optiker meines Vertrauens in die Manhagener Allee und bat um eine Reparatur.
Um es kurz zu machen: Das Plastikteilchen liefert Silhouette nur mit einem neuen Titanbügel, den der Kunde aber gar nicht benötigt. Und dann kostet ihn das Ganze 84 €. In meinen Augen ist das glatter Beschiss, zumal der Kunde keine andere Wahl hat als zu zahlen, um seinen Durchblick nicht zu verlieren. Und nun habe ich eine Brille mit drei Bügeln aus Titan.
Als Revanche erfolgt an dieser Stelle meine Ab-Rechnung mit dem Hersteller, und zwar wie folgt: Die Silhouette-Brille ohne Gläser kostet 309 Euro und besteht aus zwei Bügeln und dem Nasenteil. Kauft man die Bügel einzeln á 84 Euro und dazu das Nasenteil, das 76 Euro kostet, dann bekommt man das Ganze für 244 Euro. Macht eine Ersparnis von 65 Euro!
Nun leben wir nicht erst seit heute in einer Wegwerfgesellschaft, wo Reparaturen sich (angeblich) kaum noch lohnen. Da haben elektronische Produkte eine Sollbruchstelle, die kurz nach Ende der Garantiezeit bricht. Und obwohl das alte Handy noch tadellos funktioniert, muss schon das neue her, genauso wie ein/e neue/r Partner/in benötigt wird, obwohl der/die alte noch gar nicht gestorben ist. Und über Produkte aus dem Kleiderschrank von Evas Töchtern wollen wir gar nicht reden! ;–)
Aber: Wenn man teure Ersatzteile kaufen muss, obwohl man die gar nicht benötigt, dann muss man zwar zahlen, aber man muss nicht schweigen. Der Konsument, der früher nur in seinem persönlichen Dunstkreis darüber sprechen konnte, hat heute ungezählte „Freunde“ bei Facebook und kann über Twitter, Blogs oder sonstige Foren einen eigenen Shitstorm gegen Firmen veranstalten, die den Konsumenten „erpressen“, Geld auszugeben für Teile, die er gar nicht braucht.
Um dazu noch ein Gleichnis zu bringen: Eine Autowerkstatt verkauft keine einzelne Reifendecke mehr, sondern dieselbe nur noch mit Felge und Zierkappe. (Immerhin: Die Luft ist gratis.)
Mittwoch, 6. März 2013