Für wen schreiben die Lokalzeitungen wirklich…?

Heute mal wieder ein allgemeines Thema, betitelt: „Lokalpresse und ihre Berichterstattung“. Womit ich unter „Lokalpresse“ auch Anzeigenblätter und Online-Portale mit einbeziehe, die von Werbung leben.

"Letzte Nchrichten" Lithographie von A. Paul Weber

“Die Sitzung der Narren war supergeil!”  (“Letzte Nachrichten”, Litho:  A. Paul Weber)

Die Reporter der Lokalpresse schreiben für ihre Leser. Aber nur in zweiter Linie. In erster Linie schreiben sie für diejenigen, über die sie schreiben, und die ihnen die sogenannten „Pressemitteilungen“ zukommen lassen. Das sieht im journalistischen Alltag so aus: Da ist eine örtliche Veranstaltung, ob Stadtfest, Karneval, Musiknacht, Kinderfest, Feuerwehrball, Sportfest oder Kulturveranstaltung im Stadtsaal. Dazu wird die Redaktion eingeladen und bekommt vorgefertigte Pressetexte. Die schreibt der Redakteur dann um, und zwar so, dass die Veranstalter damit zufrieden sind. Denn schließlich möchte der Redakteur den guten Kontakt, den er hat, nicht stören durch unhöfliche Berichte gegenüber seinen Informanden.

Ergo: Die Musiknacht war toll, alle Besucher waren begeistert, alle Musikanten waren supergeil, alle Locations optimal und überfüllt. Und jede Veranstaltung im Kulturzentrum war toll, alle Besucher waren begeistert, alle Künstler waren supergeil, alle Plätze waren so gut wie besetzt. Und die Kunstausstellung war toll, die Besucher waren begeistert, der Künstler ist supergeil, die Vernissage war optimal und überfüllt. Und das Stadtfest wird toll sein, alle Besucher werden begeistert sein, alle Shownummern werden supergeil sein, und die Straßen werden überfüllt sein. Und so weiter und so fort, vom Zirkus auf dem Stormarnplatz bis hin zu den Veranstaltungen im weißen Herrenhaus am Rande der Stadt.

Genauso auch, wenn es um eine Bürgerinitiative geht, um die Stadtwerke oder eine politische Veranstaltung, ein Geschäftsjubiläum oder der Jahresbericht einer örtlichen Firma: Die Redaktion schreibt einen Bericht darüber. Der ist auf jeden Fall wohlwollend. Letztendlich will sie es mit niemandem verderben, denn schließlich sind die Leute nett zum Reporter. Außerdem braucht der den guten Kontakt zu all diesen Leuten, damit die auch weiterhin ihre Informationen an die Redaktion schicken. Und damit schließt sich der Kreis.

Die Redaktion bekommt auf diese Weise viel Zuspruch von den Menschen, über die sie wohlwollend berichtet. Und das Medium bekommt die Werbung von Geschäften, über die der Reporter freundlich berichtet. Und alle sind es zufrieden. (“Leben und leben lassen”, schrieb mir kürzlich ein Journalistischer Kollege, nachdem ich ihn kritisiert hatte, weil er so kritiklos geschrieben hat.)

Auch was der Sprecher der städtischen Verwaltung von sich gibt, wird kommentarlos abgedruckt und damit gutgeheißen. Bloß keine Kritik, sonst bekommt man beim nächsten Mal womöglich keine wichtige Information aus dem Rathaus!

Und wie schaut es aus bei den Lesern? Hier gibt es Leute, die wenden sich an die Redaktion mit sogenannten Leserbriefen, weil sie sich geärgert haben. Und es melden sich direkt bei der Redaktion viel mehr Leute, die sich für die freundliche Berichterstattung bedanken. Aber ich habe noch nie etwas davon gehört oder gelesen, dass Leser sich bei der Redaktion gemeldet und beschwert haben, weil sie sich über die Berichterstattung des Blattes tödlich gelangweilt haben. Und ich denke: Das sind nicht wenige Leser, was man an der Auflagenentwicklung der meisten Tageszeitungen ablesen kann, sprich: Die Abonnenten werden weniger.

Szene Ahrensburg ist weder eine Lokalzeitung noch ein Anzeigenblatt. Sondern ein Blog. Darum schreibe ich über das, was in der Stadt passiert, nicht so, wie es in irgendwelchen Pressemitteilungen zu lesen ist, sondern ich schreibe es so, wie ich es sehe als Bürger unter Bürgern. Zugegeben: Damit mache ich mir nicht immer nur Freunde; aber es bringt Leser auf Szene Ahrensburg, die mitdenken, und zwar über den Tellerrand hinaus. Und für die schreibe ich mein Blog.

 

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht am 29. Mai 2014

9 Gedanken zu „Für wen schreiben die Lokalzeitungen wirklich…?

  1. wolfgang koenig

    Bei dem Symbolbild muss ich an einen bekannten Bürger denken,dem wir am Mittwoch fast die Zehen abgefahren hätten, weil er in Manhagener Allee dümpelnd über die Fahrbahn lief. Aus einem Meter Entfernung hat der mich nicht erkannt.
    Als aufmerksamer Bürger habe ich festgestellt, dass in der Hagener Allee zwischen Hochbahnbrücke und Ladestraße zum Teil großflächig Bindemittel für Gefahrstoffe verteilt wurde. Auch im Einmündungsbereich Brückenstraße in die Hamburger Straße war Bindemittel zu sehen. Wer informiert unsere Zeitungen und Anwohner über solche größeren Gefahrgutrunfälle?
    Wolfgang König

  2. Chris

    Sie haben in vielen Punkten Recht und dann doch nicht. Sie pauschalisieren, sie gehen ein Mal komplett drüber, stellten ihre Behauptungen auf und das war es. Das mag für so manches ANzeigenblatt ja so hinhauen, wird aber nicht den einzelnen Redakteuren und Journalisten gerecht, wenn Sie die Tageszeitungen komplett lesen und was auch hier und da im Netz veröffentlicht wird, dann wüssten Sie, dass es doch eher Unterstellungen sind.

    Diese Revoluzzer-Nummer liegt Ihnen, die Rolle die man Ihnen zuschreibt ( und Sie sich selbst ) schmeckt Ihnen. Nur ist es tatsächlich nicht so, dass die Zeitungen oder Onlineportale hier ausschließlich so verfahren und Sie sind der große “Aufräumer”, der die Wahrheit spricht.

    Was entscheidend wäre, ist doch, dass sie dort kritisieren, wo es angebracht ist, aber auch eingestehen, dass jegliche Pauschalisierung nicht greift.

    Es ist schade, dass Sie Ihr durchau erkennbares Talent zum Blog schreiben ( sicherlich ausbaufähig, aber durchaus vorhanden ) nicht dafür nutzen, selbst ein wenig mehr über den Tellerrand mancher Pauschalisierungen und Plattitüden hinauszuschauen. Ich habe Ihren Blog schon lange verfolgt. Ja auch schon kommentiert. In letzter Zeit fällt mir auf, dass SIe beginnen sich im Kreis zu drehen. Sie haben stereotype Feindbilder und beginnen genau damit Ihre Leser ebenfalls sehr zu langweilen. Ja vielleicht ist Ihre vorhersehbare Medienschelte sogar noch langweiliger als das, was sie eigentilch ( und oft aus gutem Grund ) früher kritisierten. Die größten Kritiker der Elche, waren früher selbst mal welche… nech

    1. Harald Dzubilla Artikelautor

      Noch nicht bemerkt: Szene Ahrensburg war vor Krautreporter da?! Und meinen Sie, ich sollte auch “Mitglieder” suchen und eine “Bezahlschranke” einführen…?

      1. D. Schreiner

        Habe ich bemerkt ;-). Nein, ich glaube sie haben genug Leser und brauchen keine Mitglieder.
        Und eine Bezahlschranke (oder auch “Paywall”) soll es da nicht geben. Zumindest nicht für diejenigen die nur lesen wollen.

  3. Florian

    Irgendwie scheint sich ja immer alles um das liebe Geld zu drehen!?

    Ich persönlich wäre ja auch bereit für lokale (ebenso wie nationale und globale) Themen – kritisch und doch objektiv recherchiert – Geld zu bezahlen, aber wo kriege ich das?

    So versuche ich mich mit einer Kombination aus ahrensburg24.de, Stormarnbeilage des HH Abendblattes, MARKT, szene-ahrensburg.de, facebook.com/Ahrensburg.TV, rtntvnews.de und stormarnlive.de auf dem laufenden zu halten. Die haben alle ihre Stärken und Schwächen, aber meine Meinung bilde ich mir immer noch gerne selber 😉

  4. Frau Behnemann

    Wenn ich darüber nachdenke, dann kann ich mich nicht entsinnen, in der Stormarnbeilage vom Abendblatt oder im “Markt” mal einen kritischen Beitrag über eine Veranstaltung im Marstall gelesen zu haben bzw. im Alfred-Rust-Saal oder über ein anderes Ereignis in der Stadt. Alles war immer paletti. Ist das Realität?

  5. Martin Hoefling

    @ “Florian”

    Lieber Florian, ich freue mich, dass Sie in Ihrer Aufzählung auch http://www.Ahrensburg.TV erwähnen!
    Mit Sicherheit ist Ihr kompletter “Medienmix” die beste Art, sich zu informieren!

    @ Lieber Herr Dzubilla, ich nehme Ihren Artikel gerne als kleinen Anstoß,
    mal zu überdenken, wie weit das auf die Bericht-Erstattung von Ahrensburg.TV zutrifft – und es ggf. zu optimieren!

    Ich habe noch viele Zeitungsartikel von 1978 und später, in denen ich für den MARKT sinngemäß geschrieben habe, “die Veranstalter waren enttäuscht, dass das Disco-Zelt halbleer blieb” – das war die naiv-ehrliche Schreibe eines Schülers… aber dahin müssten wir zurück!

    Guter Kritik-Punkt!

    Mit freundlichem Gruß,
    Martin Hoefling
    http://www.Ahrensburg.TV

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